Unbedingtes Selbsterkennen
Wie geht Selbsterkennen? In welchen Lebenssituationen gelingt es und meine Persönlichkeit stellt sich klarsichtig und bedingungslos dar? Braucht es dazu die besondere Situation oder Motivation? Oder zwingt nur grosse Not zur Selbstwahrnehmung? Oder treibt einfach die Vernunft zur nüchternen Ansicht? Vielleicht fordert das Leben in seiner unendlichen Vielfalt diese Momente der Selbstbegegnung. Dann sind die wahren Selbstkontakte unfreiwillig durch äussere Anstösse erzwungen und schicksalshaft durch bestimmende Ereignisse provoziert. Doch endlich scheint die Nähe zum eigenen Selbst immer eine Gnade.
Im Alltag nehme ich meine Umgebung, die Anderen und mich aus meinem eigenen Standpunkt war, eine Perspektive ohne Weitsicht. Mein direkter Kontakt zur Umwelt informiert mich fortwährend, erwartet meine Reaktionen und spiegelt mir auch meine jeweilige Befindlichkeit. Zeitgleich vermag ich in wachem Zustand mehr oder weniger bewusst zwischen mir und meiner Umgebung unterscheiden. Somit lässt sich meine Selbsterfahrung vom äusseren Geschehen getrennt betrachten. Zu meiner Genugtuung und Freude gelingt meinem kreativen Willen zwischendurch auch, mich in den meisten Lebensräumen sinngebend und wohlgefällig aufzuführen.
Besonders in herzoffenen Begegnungen lerne ich auch andere Wirklichkeiten, Zustände und Positionen durch meine Mitmenschen begreifen und erkennen. Ein kreativer Vorteil, der mich über meine organische Realität, über meine prägenden Lebenserfahrungen und meine Individualität hinaus erweitert. Ich erahne: Es gibt neben dem unmittelbaren Erleben ein klärendes All-Bewusstsein, etwas Verheissungsvolles in der Zukunft, ausserhalb von meinem Willen, dem ich zusprechen darf und das mich erwartet.
Ein demütiges Selbst, also der herzoffene Zustand einer lebenden Einheit in vollkommener Verbundenheit zur Ganzheit, ermöglicht die tiefgreifende und bedingungslose Teilhabe an der Gemeinschaft allen Lebens. In diesen spirituellen Lebensmomenten verinnerlicht sich mein Sein durch Hingabe zum Absoluten; dein und mein Dasein wird von bedingungsloser Liebe getragen, die mich und jede menschliche Gemeinschaft überreich mit Lebensfreude segnet.
Eine Selbstverbundenheit, die ohne Ausnahmen auskommt, erweist sich als beachtlicher Lebensgewinn mit vielen freien Perspektiven. Dann werden auch selbstbefreite Anschauungen und Einsichten Einzug halten, also vermehrt Erkenntnisse gewonnen, welche jeden Selbstzweck und die eigene Wirklichkeit übersteigen. — Aus Lebensoffenheit, Selbstverständnis und Kontaktfülle, aus Erkenntnisreichtum und Lebensvertrauen bringen Du und Ich eine direkte Mitverantwortung in die gemeinsamen Lebensbereiche. Für die menschliche Liebe und den Willen zum guten Leben bestehen immer Aufgabenfülle.
Dein und mein unbedingtes Selbsterkennen werden kreative Begegnungen fördern. Diese wirken glaubwürdig und sozial verbindlich, so, dass unser Kontaktleben reale wie ideale Räume aufbaut und einnimmt. – Wahrscheinlich muss ich mich für dieses intensive Schaffen wieder und wieder auf schmerzhafte Lebensprozesse einlassen, mich von meinen alten Überlebensstrategien lösen und mit manch eingrenzenden Lebensvorstellungen brechen. Mein Lebensweg wird und darf meine selbstverantworteten wie veranlagten Begrenzungen meiner Umgebung zumuten und meinem Dasein bedingungslosen Lebenswert zusprechen, denn jedes Lebewesen verkörpert etwas Weltursächliches. – Ich mute mich dir und all meinen Kontakten liebevoll als eigene, kleine Welt mit liebendem Urgrund wie naiver Einfalt zu.