Unbedingtes Selbsterkennen
Wie geht Selbsterkennen eigentlich? Was ist damit gemeint? In welchen Lebenssituationen ist Selbsterkennen zentral wichtig? Um Persönlichkeiten klarsichtig und bedingungslos zu erkennen, unterstützt uns das direkte Erleben. Brauchen wir dazu besondere Momente und Fähigkeiten mit entsprechenden Motivationen? Oder zwingt nur die grosse Not oder der Zwang zur Veränderung zur deutlichen Selbstwahrnehmung? Oder treibt einfach die Vernunft und Lebenserfahrung zur nüchternen Ansicht des Selbst? Zu diesen Fragen werden wir gemeinsam Antworten suchen und sicher auch finden.
Vielleicht erfordert das Leben, in seiner unendliche Vielfalt, selber die Zeiten der Selbstbegegnung. Dann wären Selbstkontakte eher unfreiwillig, durch äussere Anstösse erzwungen und schicksalshaft durch bestimmende Ereignisse provoziert. Doch mit den tiefen Lebenserfahrungen an den eigenen individuellen Gefühlsgrenzen erweist sich die Nähe zum eigenen Selbst immer auch als eine Gnade.
Im Alltag nehmen wir eine Umgebung, das Andere und mich selber, aus den eigenen Standpunkten war, also aus einer einseitigen Perspektive ohne wirkliche Weitsicht. Der direkte Kontakt zur Umwelt informiert wohl fortwährend über das äussere Geschehen und erwartet mitunter Reaktionen, spiegelt jedoch auch den Zustand der jeweiligen Befindlichkeiten. Zeitgleich vermag das Ich im wachen Zustand mehr oder weniger bewusst zwischen dem Eigenen und einer Umgebung zu unterscheiden. Damit lassen sich Selbst-erfahrungen recht gut vom äusseren Geschehen getrennt betrachten. Zu unserer Genugtuung und Freude gelingt zwischendurch ein kreativer Willen sin die meisten Lebensräumen als sinngebend und wohlgefällig anzuführen.
Besonders in herzoffenen Begegnungen lernen wir auch andere Wirklichkeiten, Zustände und Positionen der Mitmenschen begreifen und verstehen. Ein kreativer Vorteil, der uns über organische Realität und Grenzen, über prägende Lebenserfahrungen und enge Individualität hinaus führt. Davon eine Ahnung: Es gibt neben dem unmittelbaren Erleben ein klärendes Miteinander und ebenso ein wachsendes All-Bewusstsein, etwas Verheissungsvolles für die Zukunft, ausserhalb eines Willens, dem wir zusprechen dürfen und uns in der Menschlichkeit fördert, und einem Gegenüber Raum lässt.
In demütigem Selbstzustand, also im herzoffenen, als eine lebendige Einheit in vollkommener Verbundenheit zur Ganzheit, wird dem Menschen die tiefgreifende und bedingungslose Teilhabe an der Gemeinschaft allen Lebens ermöglicht. In diesen spirituellen Lebensmomenten (im gemeinsamen, religiösen Raum) verinnerlicht sich das Sein in Hingabe zum Absoluten; dein und mein Dasein wird von bedingungsloser Liebe getragen, die uns und jede menschliche Gemeinschaft überreich mit Lebensfreude segnet.
Eine Selbstverbundenheit, die wenige Ausnahmen macht, erweist sich als beachtlicher Lebensgewinn mit vielen freien Perspektiven. Dann werden auch selbstbefreite Anschauungen und Einsichten Einzug halten, also vermehrt Erkenntnisse gewonnen, welche jeden Selbstzweck und die eigene Wirklichkeit übersteigen. — Aus Lebensoffenheit, Selbstverständnis und Kontaktfülle, aus Erkenntnisreichtum und Lebensvertrauen bringen Du und Ich eine direkte Mitverantwortung in alle gemeinsamen Lebensbereiche. Für die menschliche Liebe und den Willen zum guten Leben bestehen immer reiche Aufgabenfülle.
Dein und mein unbedingtes Selbsterkennen fördern die kreativen Begegnungen. Diese wirken glaubwürdig und sozial verbindlich, so dass das Kontaktleben reale wie ideale Räume aufbaut und einnimmt. – Wahrscheinlich müssen wir uns für dieses intensive Schaffen wieder und wieder auf schmerzhafte Lebensprozesse einlassen, uns von alten Überlebensstrategien lösen und manch eingrenzende Lebensvorstellungen ausräumen. Der persönliche Lebensweg wird und darf selbstverantwortete wie veranlagte Begrenzungen seiner Umgebung zumuten, und dem Dasein bedingungslosen Lebenswert zusprechen, denn, jedes Lebewesen verkörpert etwas Weltursächliches. – Ich mute mich dir und all meinen Kontakten liebevoll zu, als eigene kleine Welt, aus liebendem Urgrund wie naiver Einfalt.